Parteien auf den Zahn gefühlt

Am 7. Mai 2019 hatte das WiPo-Profil des Q1 Jahrgangs, Vertreter der sechs im Bundestag vertretenen Parteien CDU, SPD, AfD, Grüne, Linke und FDP zu einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Europawahl 2019 eingeladen. Leider kam es im Vorfeld zu einem Zwischenfall mit dem „Bündnis gegen Rechts“, da man der Schule und dem Schulleiter vorwarf, der AfD eine Plattform zu bieten, was auch die Lokalzeitung aufgriff, aber eine Rücksprache mit uns Organisatoren des WiPo-Profils für verzichtbar erachtete. Wir hätten uns gern gegenüber solchen Vorwürfen positioniert: Sich mit Argumenten auseinandersetzen und diese nicht totzuschweigen, war unser Gedanke dahinter gewesen, zumal sich die Vorwürfe auf der Diskussion auch als falsch erwiesen, da die Positionen der AfD mehrmals durch SchülerInnen hinterfragt wurden. 

 

Über die rege Teilnahme des Abitur-Jahrgangs war die Freude groß, da wir vor allem die wahlberechtigten Q2ler mit der Diskussion erreichen wollten. Im Vorfeld hatten die Organisatoren der Veranstaltung sich im Rahmen der EU-Unterrichtseinheit in Q1 schon intensiv mit verschiedenen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Themen auseinandergesetzt und hatten beschlossen, dass wir uns in der Diskussion auf den Binnenmarkt, die Arbeitnehmerfreizügigkeit und Migration konzentrieren wollten.

Der Einstieg wurde so gestaltet, dass die Parteivertreter Europa bzgl. seiner Wichtigkeit für Deutschland auf einer Skala von 1-10 einstufen sollten. "10" bedeutete hierbei unabdingbar und eine "1" ein Europa, aus dem die Partei raus möchte. Alle Parteivertreter, mit Ausnahme der AfD und der Linken, vergaben 9 Punkte und mehr. Die Linke gab 8 Punkte und die AfD differenzierte an dieser Stelle klar zwischen Europa und der EU; Europa bekam 10 Punkte die EU nur 5 Punkte, woraus ein Mittelwert von 7,5 Punkten entstand. Als es darum ging, den Satz, „Wenn ich an Europa denke, denke ich an ...“ zu vervollständigen, viel oftmals das Wort Vielfalt. Julian Flak, der Vertreter der AfD sprach aber auch Grenzkontrollen innerhalb Europas an, Helmer Krane (FDP) meinte, man sei „in Vielfalt geeint“, Lars Kuhlmann (CDU) orakelte, die EU habe die beste Zeit noch vor sich. Der Vertreter der SPD, Enrico Kreft, sprach von einer "Heimat, die sich aber einigen Problemen stellen müsse" und auch Rasmus Andresen (Grüne) sprach von Herausforderungen. Die Vertreterin der Linkspartei, Marianne Kolter, sagte, Europa würde sie traurig machen, da ihre Gedanken bezüglich Europa immer öfter zum Mittelmeer und den dort ertrinkenden Flüchtlingen wanderten.

Das erste Thema war der Binnenmarkt, hier wurde die Möglichkeit eines Dexits besprochen, außer der AfD hielt keine Partei dies für eine Option. Die FDP und CDU waren beide der Meinung, dass die Briten mit ihrem Austritt den falschen Weg gingen und dies sich schon jetzt in der Handlungsunfähigkeit der britischen Regierung abzeichnen würde. Auch die kommenden Jahre werde der Austritt eine schwere Zeit für Großbritannien mit sich bringen. Lars Kuhlmann (CDU) sprach auch die geringe Wahlbeteiligung der „jungen Generation“ bei der Brexit-Abstimmung an und erkannte im selben Atemzug von einem Warnsignal, da man den jungen Leuten zeigen müsse, was sie an Europa hätten. Rasmus Andresen (Grüne) bezeichnete den Dexit als „Bullshit“, da Deutschland ungemein vom Binnenmarkt profitiere. Kritisch betrachtet wurde dieses Profitieren von der Linken, Kolter meinte, man müsse das Ungleichgewicht, das in Europa herrsche, ausgleichen. An dieser Stelle der Diskussion brachten sich auch erstmalig SchülerInnen ein und stellten Nachfragen.

Beim Thema der Arbeitnehmerfreizügigkeit kam es zu einigen Kontroversen; während die AfD den Sozialmissbrauch durch Kindergeld eindämmen wollte, war man sich generell über den Umfang des Sozialmissbrauchs uneinig. Grüne und Linke sahen eher den Vorteil und standen außerdem dafür ein, für gleiche Arbeit auch gleiche Sozialleistungen zu zahlen. Helmer Krane (FDP) brachte einen Kompromiss zur Sprache, bei dem das Kindergeld in Höhe des Satzes des Aufenthaltslandes des Kindes und nicht dem der Eltern gezahlt werden sollte. Die AfD wolle außerdem für Migranten einen Zeitraum von 10 Jahren einführen, in dem zwar Steuern bezahlt werden, aber noch kein Anspruch auf Sozialleistungen bestehe.

Etwas, was der Linken in ihrem Grundkonzept widersprach, denn, wie Frau Kolter betonte, fordere man für „gleiche Arbeit gleiches Geld“. Als Herr Flak (AfD), dem CDU-Vertreter vorwarf, „von rechts zu überholen“, positionierte sich Enrico Kreft von der SPD klar mit dem Statement: „Wer von rechts überholt, landet im Graben“ und hatte die Lacher auf seiner Seite.

 

Aufgrund des Zeitmangels wurde das letzte Thema, externe Migration, nicht mehr mit der Tiefe der vorherigen behandelt, die Positionen der Parteien entsprachen denen der jeweiligen Wahlprogramme. Lediglich Herr Kuhlmann, der von seiner persönlichen Involvierung und Erfahrung bezüglich der Bekämpfung von Fluchtursachen in den afrikanischen Ländern berichtete, überraschte an dieser Stelle.

Einige der Schüler kritisierten den Vorschlag der AfD, dass jedes Land so viele Flüchtlinge aufnehmen solle, wie es wolle, und auch die Linke hatte gänzlich andere Vorstellungen: Sie will die Abschiebung abschaffen und alle Menschen aufnehmen, die auf der Flucht sind. Von der SPD wurde die Entkriminalisierung der Seenotrettung im Mittelmeer angesprochen und u. a. die FDP sprach davon, Frontex auszubauen und so eine humane und kontrollierte Einwanderung zu ermöglichen. Nach einer Fragerunde und einem abschließenden Statement der Parteien waren die gut 90 Minuten auch schon vorbei.

 

Die Diskussion hatte eine sachliche Gesprächsatmosphäre, die durch die strukturierte Moderation von Malin Clausen unterstützt wurde, hierbei half ihr Malte Treiber. Die Rückmeldung der SchülerInnen war durchaus gemischt, jedoch überwiegend positiv. Viele hätten gerne mehr Zeit für Fragen gehabt, was aufgrund der begrenzten Zeit nicht möglich war, und z. B. das Thema Artikel 13 (Urheberrechtsschutz) besprochen. Der Großteil der SchülerInnen fand die Diskussion aber interessant, hilfreich und vorbereitend für die Wahlentscheidung.

 

Kendra B.